DIA-NET - Diagnostik der Internetabhängigkeit im Netz

Tools und Tipps zu Screening, Diagnostik und Intervention bei Internetbezogenen Störungen

Interventionen bei Internetbezogenen Störungen

Immer mehr Menschen suchen Hilfe für Internetbezogene Störungen. Dies zeigt sich an steigenden Zahlen in Beratungsstellen und Ambulanzen. Die Art der möglichen Hilfen richtet sich nach der Art der Störung (problematisch, schädlich oder abhängig), der Schwere der Störung (hohe Anzahl an DSM-5 Kriterien, ausgeprägte negativen Konsequenzen), dem gleichzeitigen Vorliegen anderer psychischer Störungen (Komorbidität) und der Bereitschaft der betroffenen Person, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Dabei stehen für problematische Nutzungsformen (Vorliegen einzelner Merkmale der Störung nach DSM-5, aber unterhalb der Schwelle von 5 Kriterien) und schädliche Nutzung (negative Konsequenzen wie deutlicher Verlust der Leistungsfähigkeit in Schule oder Beruf oder wiederholte schädliche Nutzung wie z.B. im Straßenverkehr) internetbasierte Hilfen, Beratung oder Kurzinterventionen zur Auswahl.

Sobald eine hohe Anzahl von DSM-5 Kriterien vorliegt bei gleichzeitigem Vorliegen von bedeutsamen negativen Auswirkungen, können ambulante oder stationäre Therapien sinnvoll sein. Letztere insbesondere bei schwerer Abhängigkeit und deutlich eingeschränkter Alltagsbewältigung, die eine zeitweilige Herauslösung aus den Alltagsroutinen verbunden mit einer Tagesstrukturierung und intensiven therapeutischen Maßnahmen sinnvoll erscheinen lässt. Diese grobe Zuordnung wird in folgender Tabelle zusammengefasst, wobei immer individuell entschieden werden sollte. Auch hängt die Wahl der Interventionen von der Behandlungsvorgeschichte ab.



Intervention Proble-matische (unter 5 DSM-Kriterien) oder schädliche Nutzung Vorliegen einer Abhängigkeit (5 oder mehr DSM-Kriterien) Vorliegen einer schweren Störung (z.B. 7 oder mehr Kriterien) Ausgeprägte Einschränkung der Lebens-führung Vorliegen von Komorbidität Erfolglose Vorbehand-lung
Online (Selbst-) Hilfe Angebote + + - - (-)* -
Beratung oder Kurzinter-vention + + - - (-)* -
Ambulante Therapie - + + - + +
Stationäre Therapie - - + + + +
*Hängt vom Ausmaß und den damit verbundenen Einschränkungen ab



Ziel der Interventionen ist die Reduzierung von Online-Zeiten auf ein verträgliches Maß, im Falle von abhängigen Nutzungsmustern die deutliche Reduktion oder die Abstinenz von der suchterzeugenden Anwendung. Gleichzeitig geht es darum, alternative Verhaltensweisen (wieder) zu entdecken, die Persönlichkeit und den Selbstwert zu stärken sowie bei Bedarf soziale Ängstlichkeit abzubauen.

Online (Selbst-) Hilfe Angebote

Im Internet gibt es eine Vielzahl an Angeboten für Betroffene. Diese reichen von Beratungsangeboten über Online-Selbsthilfegruppen, Foren zum Austausch, Selbsttests bis hin zu Informationen über weitergehende Hilfen. Betroffene können sich hier informieren, sich mit anderen über problematische Internetnutzung austauschen und mittels Online-Tests das Ausmaß der eigenen Probleme feststellen. Auch für Angehörige von Menschen mit Internetproblemen sind diese Hilfe-Angebote eine erste Möglichkeit, mehr über das Thema zu erfahren.

Beispiele für solche Angebote sind:

Erste Hilfe Internetsucht

Online-Ambulanzservice für Internetsüchtige (OASIS)

Hilfe zur Selbsthilfe bei Onlinesucht (HSO e.V.)

ESCapade - Medien, Sucht, Familie

Bei Menschen mit problematischer, schädlicher oder abhängiger Nutzung können diese niedrigschwelligen Hilfen gegebenenfalls bereits ausreichend sein, sich mit dem eigenen Nutzungsverhalten auseinanderzusetzen und die Motivation, das Nutzungsverhalten zu ändern, nachhaltig beeinflussen. Andere Betroffene benötigen intensivere Hilfen.

Beratung und Kurzintervention

Beratung oder Kurzintervention ist sinnvoll bei Personen, die eine problematische, schädliche oder abhängige Internetnutzung aufweisen. Die Wirksamkeit hängt von der Schwere der Störung, eventuell vorliegender Komorbidität und der Bereitschaft der Person ab, Hilfe anzunehmen. In der vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Pilot-Studie iPIN wurde ein Behandlungsmanual entwickelt, das eine Kurzintervention beschreibt (Projektbericht intervenieren bei Problematischer Internetnutzung). Ziel ist eine Reduktion oder Abstinenz von Aktivitäten im Internet, die zu Problemen führen. Gegebenenfalls kann die Intervention auch helfen, Klienten zu weiterführender Hilfe im ambulanten oder stationären Bereich zu motivieren.

In der Kurzintervention wird auf Basis der Motivierenden Gesprächsführung versucht, eine Diskrepanz zwischen Werten und Zielen des Klienten/der Klientin und dem aktuellen Internetverhalten zu erarbeiten. Das Behandlungsmanual der iPIN-Studie ist frei verfügbar. Es kann als Muster für Interventionen im ambulanten Setting dienen und den jeweiligen Bedingungen entsprechend angepasst werden.

Behandlungsmanual Internetbezogene Störungen

Ambulante Therapie

Eine ambulante Psychotherapie ist bei abhängigem Internetnutzungsverhalten in ausgeprägter Form (z.B. mit mindestens 7 DSM-Kriterien), dem Vorliegen von komorbiden Erkrankungen und erfolglosen Vorbehandlungen angemessen. Die Vorteile einer ambulanten Therapie liegen darin, dass der Betroffene in seinem gewohnten Umfeld bleiben und die in der Therapie erlernten Strategien direkt in seinen Alltag einbetten kann.

In der Grüsser-Sinopoli Ambulanz für Spielsucht in Mainz wurde ein Behandlungskonzept für Computerspiel- und Internetsucht entwickelt, das anhand psychoedukativer Elemente und kognitiv-behavioraler Behandlungsansätze zur Verhaltensänderung in verschiedenen Modulen Problembewältigungsstrategien, Etablierung alternativer Aktivitäten und die Stärkung sozialer und persönlicher Kompetenzen bearbeitet. Das von Wölfling et al. (2013) entwickelte Behandlungsmanual enthält eine detaillierte Beschreibung des Therapieprogramms, Arbeitsblätter und Materialien sowie Fallbeispiele.

Stationäre Therapie

Bei Vorliegen einer schweren Abhängigkeit mit ausgeprägten Einschränkungen in der Lebensführung empfiehlt sich eine stationäre Therapie. Sie ermöglicht den Betroffenen über räumliche Distanz eine Unterbrechung der problematischen Internetnutzung, die oftmals stark mit dem Alltag verwoben ist. Insbesondere bei starkem Kontrollverlust über die Internetnutzung kann eine stationäre Therapie dabei helfen, Tagesstrukturen neu zu erlernen, alternative Handlungsweisen zu entwickeln und Strategien zu erproben, die Internetnutzung zu kontrollieren.

Auflistungen möglicher stationärer Therapieangebote finden Sie unter den folgenden Links:

Erste Hilfe Internetsucht

Therapieplätze

Um die Suche nach der passgenauen Hilfe für Menschen mit Internetbezogenen Störungen zu erleichtern, gibt es eine Vielzahl von hilfreichen Seiten im Internet.

Weiterführende Hilfen

Wölfling, K., Jo, C., Bengesser, I., Beutel, M. E., & Müller, K. W. (2013). Computerspiel- und Internetsucht. Ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual. Stuttgart: Kohlhammer.