Flagge Deutschland Flagge England

Prävention und Behandlung

Eine Internetnutzungsstörung kann zu einer Vielzahl von Beeinträchtigungen führen. Daher ist es sinnvoll, insbesondere Risikogruppen, wie beispielsweise Schüler:innen, rechtzeitig Präventionsprogramme oder Beratung anzubieten, bevor suchtartiges Verhalten auftritt. Hierfür steht ein breites Feld mit verschiedenen Präventionsangeboten, Beratungsstellen oder Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Prävention & Frühintervention

Präventionsmaßnahmen setzen bereits an, bevor die eigentliche Internetnutzungsstörung entsteht. Dabei handelt es sich vor allem um Aufklärung von Risikogruppen, also Personen, die potentiell anfällig für die Entwicklung einer problematischen Internetznutzung sind. Dazu gehören beispielsweise Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene. Viele Menschen wissen nicht, welche Gefahren mit einer übermäßigen Internetnutzung verbunden sein können, oder wie sie diesen vorbeugen können.

Präventionsmaßnahmen werden besonders dort eingesetzt, wo viele Personen angetroffen werden können, die anfällig für eine problematische Nutzung sind. Dazu gehören unter anderem Schulen (Andreassen et al., 2017). Ein Beispiel hierfür ist das PROTECT-Programm. Dabei handelt es sich um eine Gruppenintervention, die in vier Sitzungen von geschulten Psycholog:innen durchgeführt wird. Das Programm reduziert erfolgreich die Symptome der INS (Lindenberg et al., 2022). Ebenso wichtig sind niedrigschwellige Präventionsmöglichkeiten am Arbeitsplatz, wie beispielsweise Kurzinterventionen.

Beratung und Therapie

Aufgrund der Relevanz des Themas steigt die Anzahl der spezialisierten Beratungsstellen und Behandlungsmöglichkeiten. Welche Angebote in Anspruch genommen werden können oder sollten, hängt von verschiedenen Faktoren ab: die bevorzugte Online-Aktivität, die Schwere der Problematik oder mögliche weitere psychische Erkrankungen (Komorbiditäten).
Mehr erfahren über "Komorbiditäten"...
Komorbiditäten sind körperliche oder psychische Erkrankungen, die häufig gemeinsam mit einer anderen Erkrankung auftreten. Ganz nach dem “Henne-Ei-Prinzip" ist dabei nicht immer klar, welche Erkrankung zuerst aufgetreten ist.

Die Internetnutzungsstörung (INS) tritt häufig gemeinsam mit weiteren psychischen Beschwerden wie Depressionen oder Ängsten auf (Gentile et al., 2011). Diese können sowohl Auslöser als auch Folge einer Internetnutzungsstörung sein. Jedoch finden sich häufig auch körperliche Erkrankungen bei Personen mit INS, z.B. Rückenschmerzen vom vielen Sitzen (Lissak, 2018).

Einige Begleiterkrankungen ähneln denen, die bei anderen Süchten, wie z.B. Alkoholabhängigkeit, auftreten (Hsu et al., 2009). Beispielsweise haben Betroffene häufig Probleme in der Schule hinterherzukommen oder eine gute Leistung auf der Arbeit zu erbringen (Stavropoulos et al., 2019; van den Eijnden et al., 2018). Aber nicht nur im beruflichen, auch im privaten Leben hinterlässt die INS ihre Spuren. So zeigen sich Beeinträchtigungen im Sozialleben von Betroffenen (Kuss, 2013), also Probleme im Bereich von Freundschaften und Familie. Es wurde außerdem festgestellt, dass Betroffene in ihrem Alltag häufiger unaufmerksam sind und ihre Gedanken abschweifen, also häufig ein Aufmerksamkeitsdefizit vorliegt (Schutten et al., 2017). So resultiert aus einer INS oft eine insgesamt niedrigere Lebenszufriedenheit (van den Eijnden et al., 2018).
Entscheidend ist auch, ob bereits das Vollbild einer Internetnutzungsstörung vorliegt. Das bedeutet, dass fünf der neun DSM-5-Diagnosekriterien erfüllt werden oder zwei bis drei ICD-11-Merkmale mit gleichzeitig bestehenden Beeinträchtigungen oder Leidensdruck. Schon bei einer geringeren Anzahl von Diagnosekriterien können Beeinträchtigungen im Alltag, in der Schule, im Beruf oder in anderen Lebensbereichen auftreten. In diesen Fall spricht man von einem problematischen Nutzungsverhalten. Eine Beratung oder sogenannte Frühinterventionen können helfen, dieses problematische Nutzungsverhalten zu überwinden und zu verhindern, dass Betroffene eine ausgewachsene Internetnutzungsstörung entwickeln.

Liegen eine höhere Anzahl an Diagnosekriterien, schwerwiegende Einschränkungen im Alltag oder weitere (psychische) Erkrankungen vor, kann eine ambulante oder stationäre Therapie sinnvoll sein. Letztere ist insbesondere bei einer ausgeprägteren Form der Internetnutzungsstörung und deutlich eingeschränkter Alltagsbewältigung zu empfehlen. Auch hängt die Wahl der Behandlung von der Behandlungsvorgeschichte ab. In jedem Fall sollte jedoch individuell entschieden werden, welche Maßnahmen am besten geeignet sind.



Tipp für Betroffene:
Sprechen Sie bei Bedarf Ihren Hausarzt oder Ihre Hausärztin darauf an oder informieren Sie sich online über weitere Angebote.
➥ Mehr dazu bei "Weiterführende Hilfen"...

Ziel der Behandlung ist dabei nicht der gänzliche Verzicht auf das Internet. Natürlich ist auch den behandelnden Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen klar, dass dies in der modernen Gesellschaft nicht umsetzbar ist. In vielen Fällen ist es jedoch sinnvoll, auf einzelne Anwendungen zu verzichten, die besonders stark mit dem Problemverhalten zusammenhängen. Gleichzeitig geht es darum, alternative Aktivitäten und Verhaltensweisen (wieder) zu entdecken, die Persönlichkeit und den Selbstwert zu stärken sowie bei Bedarf soziale Ängstlichkeit abzubauen.

Hilfe und Selbsthilfe im Internet

Auch wenn es skurril erscheinen mag, sich bei einer Internetnutzungsstörung Hilfe über das Internet zu suchen, gibt es dort eine Vielzahl an Angeboten für Betroffene. Diese zeichnen sich durch eine niedrige Hemmschwelle aus und bieten oftmals den Vorteil, dass sie anonym sind und jederzeit genutzt werden können. Sie reichen von Beratungsangeboten über Online-Selbsthilfegruppen, Foren zum Austausch, Selbsttests bis hin zu Informationen über weitergehende Hilfen. Betroffene können sich hier informieren, sich mit anderen über problematische Internetnutzung austauschen und mittels Online-Tests das Ausmaß der eigenen Probleme feststellen. Darüber hinaus gibt es auch immer mehr Apps, die sich mit problematischer Internetnutzung beschäftigen, über das Thema aufklären und Hilfestellungen anbieten. Auch für Angehörige von Menschen mit Internetproblemen sind diese Hilfe-Angebote eine erste Möglichkeit, mehr über das Thema zu erfahren.


Tipp für Betroffene:
Beachten Sie jedoch, dass nicht alle Angebote im Internet oder im App-Store wirklich hilfreich sind. Es existieren leider auch unseriöse Angebote, die im schlimmsten Fall sogar schaden können. Versuchen Sie deshalb herauszufinden, wer die Webseite oder die App bereitstellt. Wird das Angebot von Beratungsstellen, Universitäten oder Krankenkassen zur Verfügung gestellt, ist das ein guter Hinweis darauf, dass es sich um seriöse und wissenschaftlich fundierte Informationen handelt.

Beispiele für solche Angebote sind: Bei Menschen mit problematischer Nutzung können diese niedrigschwelligen Hilfen gegebenenfalls bereits ausreichend sein, sich mit dem eigenen Nutzungsverhalten auseinanderzusetzen und die Motivation, das Nutzungsverhalten zu ändern, nachhaltig beeinflussen. Andere Betroffene benötigen intensivere Hilfen.

Beratung und Kurzintervention

Beratung und Kurzintervention sind sinnvoll bei Personen, die eine problematische Internetnutzung oder eine beginnende Internetnutzungsstörung aufweisen, aber noch keine allzu großen Beeinträchtigungen im Alltag erleben. Wie wirksam diese Art der Behandlung ist, hängt von der Schwere der Internetnutzungsstörung, den vorliegenden Alltagsbeeinträchtigungen, eventuellen weiteren Erkrankungen und vor allem der Bereitschaft der Person ab, Hilfe anzunehmen.

Mit der COVID-19-Pandemie hat sich gezeigt, dass Beratungen und Kurzinterventionen sehr gut online stattfinden können. Für dieses Vorgehen spricht beispielsweise, dass Personen mit einer problematischen Internetnutzung normalerweise ohnehin viel Zeit im Internet verbringen und deshalb dort eher auf entsprechende Angebote aufmerksam werden und diesen gegenüber weniger Ablehnung empfinden. Auch ist die Hemmschwelle, Hilfe aufzusuchen, geringer.


Wenn Beratungen und Kurzinterventionen sehr früh ansetzen, können diese vorrangig verhindern, dass sich überhaupt erst eine INS entwickelt. Dazu soll gemeinsam mit den Betroffenen ihr aktuelles Nutzungsverhalten betrachtet und überdacht werden. Gleichzeitig soll eine Beratung oder Kurzintervention dabei helfen, die ersten vorhandenen Beeinträchtigungen zu vermindern und die Motivation für eine weiterführende Behandlung (sofern notwendig) zu erhöhen, denn Betroffene selbst verspüren zunächst in vielen Fällen kein Bedürfnis, ihr Nutzungsverhalten zu verändern (Dieris-Hirche et al., 2021).

Als Bestandteil für Frühinterventionen eignet sich daher die Motivierende Gesprächsführung, auch Motivational Interviewing genannt. Das Vorgehen soll die Motivation zur Behandlung stärken (Dieris-Hirche et al., 2021), kann aber auch eingesetzt werden, um eine Änderung des Nutzungsverhaltens zu bewirken. Das Verfahren gilt als evidenzbasiert.

In der vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Pilot-Studie iPIN wurde ein Behandlungsmanual entwickelt, das eine Kurzintervention beschreibt. Dieses Manual basiert auf dem Vorgehen des Motivational Interviewing. Ziel ist eine Reduktion oder Abstinenz von Aktivitäten im Internet, die zu Problemen führen. Gegebenenfalls kann die Intervention auch helfen, Betroffene zu motivieren, weitere ambulante oder stationäre Hilfen in Anspruch zu nehmen.

In der Kurzintervention wird versucht, eine Diskrepanz zwischen Werten und Zielen der Betroffenen und dem aktuellen Internetnutzungsverhalten zu erarbeiten. Das Behandlungsmanual aus der iPIN-Studie ist frei verfügbar. Es kann als Muster für Interventionen im ambulanten Setting dienen und den jeweiligen Bedingungen entsprechend angepasst werden.
Behandlungsmanual für INS

Ambulante Therapie

Ambulante Therapien für INS sind dann sinnvoll, wenn die Schwere der Störung bereits ausgeprägter ist, komorbide Erkrankungen vorliegen oder Vorbehandlungen bereits ohne Erfolg blieben. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen die Betroffenen erheblich unter schwerwiegenden sozialen Konsequenzen leiden.


In der ambulanten Behandlung können die Betroffenen in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und kommen nur für einzelne Termine in die Praxis oder die Klinik. Dort erlernen sie dann Strategien, die sie zuhause direkt in den Alltag integrieren können. Ein Problem ist, dass Personen mit INS selten aus eigener Motivation eine Therapie aufsuchen (Lindenberg et al., 2020). Daher kann als initialer Start eine erste Webcam-Session hilfreich sein, um anfängliche Barrieren zu brechen.

Für die Behandlung von INS gibt es Manuale, die mögliche Vorgehensweisen der Behandlung beschreiben. Diese basieren oft auf Psychoedukation, also der Vermittlung von Wissen rund um das Störungsbild, sowie Elementen kognitiver Verhaltenstherapie (Illy & Florack, 2021; Wölfling et al. 2022). Wie sich gezeigt hat, wirkt kognitive Verhaltenstherapie gut bei der Behandlung von INS (Stevens et al., 2019; Wölfling et al., 2019).
Mehr erfahren zu "Kognitive Verhaltenstherapie"...
Die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie (KVT) wird in der modernen Psychotherapie häufig genutzt. In der KVT geht es darum, Gedanken und Verhaltensweisen, die eine Person beeinträchtigen, zu ermitteln und zu überarbeiten bzw. so zu verändern, dass die Person ihre psychischen Probleme bewältigen kann (Beck, 2011). Patient:in und Therapeut:in erarbeiten gemeinsam gesündere Denkweisen und Techniken, damit beispielsweise besser mit Stress, Ängsten und Depression umgegangen werden kann (Wenzel, 2017). Die Idee der KVT baut darauf auf, dass unsere Gedanken, Gefühle und Verhalten zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen (Beck, 2011). Sie zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass sie problemfokussiert und zielorientiert ist und im Vergleich zu anderen Therapieformen nicht so lange dauert (Wenzel, 2017). Somit handelt es sich um eine sehr effektive Therapieform, die bei verschiedensten psychischen Problemen angewandt werden kann, um die Lebensqualität zu verbessern (Tolin, 2010).
Die Therapie umfasst verschiedene Maßnahmen, die eine Abstinenz bezogen auf das Problemverhalten (z.B. die exzessive Nutzung von Computerspielen, Pornographie, Chats oder Sozialer Netzwerkseiten) unterstützen. Dazu zählen u.a. Motivationstechniken, das Erarbeiten einer Tagesstruktur, die Etablierung eines individuellen Online-Zeitmanagements sowie die Verbesserung sozialer Beziehungen. Weitere zentrale Elemente sind das Protokollieren des Online-Verhaltens und eine Verhaltensanalyse sowie Strategien zur Aufrechterhaltung der Abstinenz (Wölfling et al., 2013).

Stationäre Therapie

Beim Vorliegen einer schweren INS mit ausgeprägten Einschränkungen in der Lebensführung empfiehlt sich eine stationäre Therapie. Die räumliche Distanz zum eigenen Umfeld soll dabei unterstützen, das problematische Internetnutzungsverhalten zu unterbrechen. Denn dieses ist oft stark verwoben mit alltäglichen Abläufen. Vor allem bei starkem Kontrollverlust über die Internetnutzung kann eine stationäre Therapie sinnvoll sein: Tagesstrukturen werden neu erlernt und alternative Aktivitäten und Strategien zur Emotionsregulation werden entwickelt. Es werden im Rahmen der Therapie außerdem Strategien erarbeitet, wie das eigene Internetverhalten in Zukunft kontrolliert werden kann.

Mögliche stationäre Therapieangebote können Sie über Ihren Arzt oder Ihre Ärztin finden oder online unter:

Hilfe für Eltern und Kinder

Auch oder möglicherweise insbesondere für Kinder und Jugendliche ist die Nutzung des Internets ein wichtiger Bestandteil des Lebens: Sowohl im privaten Umfeld für die Gestaltung der Freizeit und den Austausch mit Gleichaltrigen, als auch im schulischen Umfeld zur Recherche oder zum Lernen.

Insbesondere wenn es um schnell wechselnde Inhalte und Anwendungen geht, wie im Bereich von Sozialen Netzwerken oder Spielen, sind Eltern nicht immer im Bilde, wie der Nachwuchs online seine Zeit verbringt. Je jünger die Kinder sind, desto wichtiger ist es jedoch für die Eltern, über die genutzten Inhalte informiert zu sein. Es empfiehlt sich, offen mit den Kindern über die Mediennutzung zu sprechen, sich genutzte Inhalte zeigen und ggf. erklären zu lassen.

Damit Kinder und Jugendliche auch bei der selbstständigen Nutzung verantwortungsvoll mit den Anwendungen umgehen, müssen sie zunächst ausreichend Medienkompetenz erlernen. Dazu sollten sie auf die verschiedenen Gefahren im Internet aufmerksam gemacht werden. Das betrifft sowohl den Umgang mit privaten Daten als auch die Risiken übermäßiger Nutzung.


Eltern sind oftmals verunsichert, wie Internetnutzung bei Kindern und Jugendlichen gestaltet sein soll und wie sie mit der Nutzung ihrer Kinder umgehen sollen.

Inzwischen existieren dazu viele Tipps und Hinweise, mit denen Eltern die Entwicklung eines gesunden Nutzungsverhaltens ihres Kindes durch präventive Maßnahmen fördern können. Neben der Nutzung des Internets, empfiehlt es sich die generelle Mediennutzung, also auch Offline-Medien, von Kindern und Jugendlichen zu regulieren. Für verschiedene Altersgruppen ergeben sich gemäß der S2k-Leitlinie "Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in Kindheit und Jugend" unterschiedliche Richtwerte:

Kinder unter 3 Jahren Von aktiver und passiver Bildschirmnutzung fernhalten.
Kinder von 3 bis 6 Jahren Höchstens 30 Minuten an einzelnen Tagen.
Nur in Anwesenheit der Eltern.
Kinder von 6 bis 9 Jahren Freizeitliche Nutzung von Bildschirmmedien höchstens 30 bis 45 Minuten an einzelnen Tagen.
Unter 9 Jahren keine eigenen Spielekonsolen.
Kinder von 9 bis 12 Jahren Höchstens 45 bis 60 Minuten täglich in der Freizeit.
Qualitativ hochwertige Inhalte ggf. zusätzlich gemeinsam konsumieren.
Kinder von 12 bis 16 Jahren Maximal 1-2 Stunden täglich in der Freizeit.
Nach 21 Uhr keine Bildschirmnutzung.
Altersempfehlung der Inhalte beachten.
Mediennutzung begleiten und gemeinsam reflektieren.
Internetnutzung nur beschränkt gestatten.
Kinder von 16 bis 18 Jahren Ggf. Freizeitnutzung durch Regeln begrenzen (z.B. nicht am Abend vor einer Klausur).
Orientierungswert von 2 Stunden in der Freizeit empfohlen.
Altersempfehlung der Inhalte beachten.
Begleitend zur Seite stehen und regelmäßig gemeinsam reflektieren.
Ggf. gemeinsam Selbsttests zur Mediennutzung durchführen.
Hinweis für Eltern: Es handelt sich dabei um allgemeingültige Hinweise. Je nach Reifegrad und Entwicklungsstand Ihres Kindes, können individuelle Absprachen sinnvoll und notwendig sein.


Neben der Regulierung von Nutzungszeiten gibt es weitere Maßnahmen, die beim Umgang mit Internet- und Mediennutzung bei Kindern zu beachten sind:
  • Eltern, ältere Geschwister und andere, erwachsene Familienmitglieder sollten sich bewusst sein, dass sie eine Vorbildfunktion haben. Deshalb sollten sie in Gegenwart jüngerer Kinder möglichst auf die Nutzung digitaler Medien verzichten.
  • An den digitalen Aktivitäten der Kinder sollte Interesse gezeigt werden, um diese (auch kritisch) zu begleiten.
  • Bildschirmmedien sollten nicht als erzieherische Maßnahme, also zu Belohnung, zur Bestrafung oder zur Beruhigung, eingesetzt werden.
  • Während des Essens, insbesondere bei gemeinsamen Mahlzeiten, sollten keine Bildschirmmedien genutzt werden. Das gilt sowohl für Kinder als auch für Eltern.
  • Eine Stunde vor dem Schlafengehen sollte auf die Nutzung digitaler Medien verzichtet werden. (Dies empfiehlt sich übrigens für alle Mitglieder der Familie.)
  • Während der Hausaufgaben sollten Ablenkungen durch digitale Medien vermieden werden.
  • Die Gefahren übermäßiger Nutzung (inkl. Entwicklung einer INS) sollten gemeinsam betrachtet und regelmäßig reflektiert werden. Im Zweifelsfall können dazu anerkannte Test genutzt oder professionelle Hilfe aufgesucht werden.


Tipps für eine gesündere Internetnutzung

Ganz unabhängig davon, ob die Internetnutzung bereits erste Schwierigkeiten im Alltag verursacht oder nicht, haben viele den Wunsch, das eigene Nutzungsverhalten zu reduzieren oder verschiedene Online-Anwendungen bewusster und gesünder zu nutzen. Es stellt sich also folgende Frage: Welche Tipps und Strategien gibt es?

Der erste Schritt ist oftmals, sich überhaupt bewusst zu sein, dass ein exzessives Nutzen des Internets schädlich sein und negative Konsequenzen in mehreren Lebensbereichen haben kann. Dieses Bewusstsein ist wichtig, denn sonst würde man schließlich gar nicht erst den Drang oder die Motivation verspüren, etwas zu verändern. Im Folgenden finden Sie also eine Reihe von Anregungen, wie Sie in Ihrem Alltag eine gesündere Internetnutzung fördern.
  • Fördern oder finden Sie Aktivitäten, die “offline” stattfinden.

    Verbringt man mehr Zeit mit Offline-Aktivitäten, die Freude bereiten, ist man automatisch weniger online. Außerdem sinkt die Chance, aus Langweile online zu gehen oder um Stress, Trauer oder andere negative Emotionen zu bewältigen. Das kann für den einen ein Musikinstrument oder eine andere kreative Tätigkeit sein, für die andere Sport oder Treffen mit Freund:innen, das Lesen eines Buches, die Natur genießen oder viele weitere Möglichkeiten.

  • Schaffen Sie Zeiten und Plätze ohne digitale Medien.

    Vor allem das Smartphone verleitet immer wieder dazu, nahezu unbewusst danach zu greifen, ohne, dass es einen wirklichen Grund dafür gibt. Einmal in der Hand nutzt man das Gerät dann doch oftmals länger, als eigentlich geplant. Um das zu vermeiden, können bestimmte Zeiträume (z.B. während des Essens oder eine Stunde vor dem Schlafengehen) oder bestimmte Orte (z.B. das Schlafzimmer oder das Zimmer der Kinder) festgelegt werden, in denen das Smartphone, aber auch andere Geräte, wie Tablets, Laptops oder Computer, bewusst gemieden werden.

  • Legen Sie die Smartphones der Familie zu bestimmten Zeiten an einem gemeinsamen Ort ab.

    Liegen alle Smartphones gemeinsam in einer Kiste oder einer Schachtel, wird niemand dazu verleitet, doch noch ein wenig Zeit mit den Geräten zu verbringen. Die Abgabe der Geräte vor dem Essen oder dem Zubettgehen kann für die Familie gemeinsam als eine Art Ritual genutzt werden und wird so schnell zur Gewohnheit für alle.

  • Deaktivieren Sie Signale und Push-Nachrichten.

    Um nicht immer wieder automatisch zum Smartphone zu greifen, ist es hilfreich, Benachrichtigungen verschiedener Apps zu deaktivieren. Lässt man nur Push-Nachrichten zu, die unbedingt erforderlich sind, wird man nicht ständig verleitet “mal eben schnell” zu gucken, was in der digitalen Welt vor sich geht.

  • Nutzen Sie analoge Hilfsmittel, wie Wecker oder Armbanduhren.

    Morgens als erstes das Smartphone in die Hand zu nehmen ist oftmals ganz natürlich, wenn dieses auch als Wecker benutzt wird. Anstatt den Wecker auszustellen und in den Tag zu starten, verleitet es allerdings oftmals dazu, doch noch zu schauen, was in den letzten Stunden rund um den Globus gepostet wurde.

  • Nutzen Sie ein längeres, komplizierteres Passwort zum Entsperren des Smartphones.

    Dauert das Entsperren des Gerätes länger, hilft es dabei, sich der Nutzung besser bewusst zu werden. Anstatt das Gerät schnell mit einem Fingerabdruck zu entsperren, ist die Eingabe eines Passwortes aufwändiger und führt eher dazu, sich der (häufigen) Nutzung bewusster zu werden. Je länger und umständlicher die Passworteingabe, desto eher überlegt man sich, ob es wirklich notwendig ist, diesen “Aufwand” zu betreiben, um das Smartphone zu nutzen. Ohne deutlichen Grund wird man so weniger oft auf das Gerät zurückgreifen.

  • Halten Sie das Smartphone unterwegs nicht direkt griffbereit.

    Befindet sich das Smartphone griffbereit in der Hosen- oder Jackentasche, wird häufiger und unbewusster danach gegriffen, auch wenn es nicht notwendig ist. Um das Gerät unterwegs nur zu nutzen, wenn es wirklich erforderlich ist, kann man es während der übrigen Zeit in der Tasche verstauen. Während vieler Aktivitäten kann man das Gerät natürlich auch einfach mal zu Hause oder im Auto lassen.

  • Erfassen Sie Ihre Nutzungszeiten und begrenzen Sie diese möglicherweise.

    Häufig ist Menschen gar nicht bewusst, wie viel Zeit sie am Smartphone verbringen und vor allem, welche Anwendungen dabei besonders zeitraubend sind. Die meisten Smartphones speichern inzwischen automatisch die wöchentliche Nutzungszeit und alternativ dazu gibt es diverse kostenlose Apps, die dafür genutzt werden können. Diese Rückmeldung kann helfen, herauszufinden, welche Anwendungen eventuell zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Hat man dies einmal herausgefunden, gibt es weiterhin verschiedene Apps, die helfen, Anwendungen nach einer festgelegten Zeit zu blockieren. Länger durch Instagram zu scrollen, als man eigentlich wollte, ist somit nicht mehr möglich.

  • Rufen Sie an, anstatt Nachrichten zu schreiben.

    Viele Menschen neigen eher dazu, Dinge per Textnachricht abzusprechen und schicken so viele einzelne Nachrichten hin und her, wodurch immer wieder das Smartphone in der Hand ist und häufig dann dazu führt, dass noch weitere Anwendungen genutzt werden. Um das zu vermeiden, eignen sich noch immer klassische Telefonate am besten.

  • Informieren Sie Freund:innen und / oder Familie über Ihr Vorhaben.

    Nahestehende Personen können dabei unterstützen, weniger Zeit im Internet zu verbringen, beispielsweise indem gemeinsam alternative Aktivitäten unternommen werden. Wichtig ist aber auch, dass diese sich nicht wundern, wenn mal eine Weile keine Antwort kommt oder diese etwas länger auf sich warten lässt.

  • Verzichten Sie vor dem Schlafengehen auf das Smartphone.

    Für eine bessere Schlafqualität ist es grundsätzlich sinnvoll, mindestens eine halbe Stunde vor dem Schlafen gehen auf die Nutzung von digitalen Medien zu verzichten. So kann man z.B. ein Buch oder eine Zeitschrift lesen, nochmal kurz spazieren gehen oder was einem sonst so einfällt. Während des Schlafens ist es empfehlenswert, das Handy auszuschalten oder zumindest auf Flugmodus zu stellen, und beim nächtlichen Aufwachen auch nicht wieder anzumachen.

Viele dieser Tipps lassen sich leicht im Alltag umsetzen. Es kann jedoch auch nicht schaden und sollte nicht gescheut werden, sich psychologische Hilfe zu suchen, wenn man unter zu viel Internetnutzung und den damit verbundenen Folgen leidet. Viele Internetanwendungen haben ein großes Suchtpotential und es kann schwer sein, davon loszukommen. Zögern Sie also nicht, sich Unterstützung zu suchen.
Literaturverzeichnis
  • Andreassen, C. S., Pallesen, S., & Griffiths, M. D. (2017). The relationship between addictive use of social media, narcissism, and self-esteem: Findings from a large national survey. Addictive behaviors, 64, 287-293.
  • Beck, J. S. (2011). Cognitive-behavioral therapy. Clinical textbook of addictive disorders, 491, 474-501.
  • Besser, B., Bischof, G., Bischof, A., Brandt, D., Orlowski, S., Hoffmann, H., & Rumpf, H. J. (2022). Pilot study of a brief intervention to treating Internet use disorders. Sucht.
  • Dieris-Hirche, J., Bottel, L., Pape, M., Te Wildt, B. T., Wölfling, K., Henningsen, P., ... & Herpertz, S. (2021). Effects of an online-based motivational intervention to reduce problematic internet use and promote treatment motivation in internet gaming disorder and internet use disorder (OMPRIS): study protocol for a randomised controlled trial. BMJ open, 11(8), e045840.
  • Dieris-Hirche, J., Pape, M., te Wildt, B. T., Kehyayan, A., Esch, M., Aicha, S., ... & Bottel, L. (2020). Problematic gaming behavior and the personality traits of video gamers: A cross-sectional survey. Computers in Human Behavior, 106, 106272.
  • Gentile, D. A., Choo, H., Liau, A., Sim, T., Li, D., Fung, D., & Khoo, A. (2011). Pathological video game use among youths: A two-year longitudinal study. Pediatrics, 127, e319–e329.
  • Hsu, S. H., Wen, M. H., & Wu, M. C. (2009). Exploring user experiences as predictors of MMORPG addiction. Computers & Education, 53, 990–999.
  • Illy, D., & Florack, J. (2021). Behandlungsmanual Videospiel-und Internetabhängigkeit: Verhaltenstherapeutisch-orientierte Gruppenbehandlung zur Teilabstinenz bei Adoleszenten-Das „Git Gud in Real-Life “-Programm. Elsevier Health Sciences.
  • Kuss, D. J. (2013). Internet gaming addiction: current perspectives. Psychology research and behavior management, 125-137.
  • Lindenberg, K., Kindt, S., & Szász-Janocha, C. (2020). Internet addiction in adolescents: The PROTECT program for evidence-based prevention and treatment. Springer Nature.
  • Lindenberg, K., Kindt, S., & Szász-Janocha, C. (2022). Effectiveness of cognitive behavioral therapy–based intervention in preventing gaming disorder and unspecified internet use disorder in adolescents: A cluster randomized clinical trial. JAMA network open, 5(2), e2148995-e2148995.
  • Lissak, G. (2018). Adverse physiological and psychological effects of screen time on children and adolescents: Literature review and case study. Environmental research, 164, 149-157.
  • Schutten, D., Stokes, K. A., & Arnell, K. M. (2017). I want to media multitask and I want to do it now: Individual differences in media multitasking predict delay of gratification and system-1 thinking. Cognitive research: principles and implications, 2, 1-10.
  • Stavropoulos, V., Gomez, R., & Motti-Stefanidi, F. (2019). Internet gaming disorder: A pathway towards assessment consensus. Frontiers in psychology, 10, 1822.
  • Stevens, M. W., King, D. L., Dorstyn, D., & Delfabbro, P. H. (2019). Cognitive–behavioral therapy for Internet gaming disorder: A systematic review and meta‐analysis. Clinical psychology & psychotherapy, 26(2), 191-203.
  • te Wildt, B. Entwicklung und evaluation eines Online-Ambulanz-Service Zur Diagnostik und Beratung. Abschlussbericht an das Bundesministerium für Gesundheit, 2018.
  • Tolin, D. F. (2010). Is cognitive–behavioral therapy more effective than other therapies?: A meta-analytic review. Clinical psychology review, 30(6), 710-720.
  • Van Den Eijnden, R., Koning, I., Doornwaard, S., Van Gurp, F., & Ter Bogt, T. (2018). The impact of heavy and disordered use of games and social media on adolescents’ psychological, social, and school functioning. Journal of behavioral addictions, 7(3), 697-706.
  • Wenzel, A. (2017). Basic strategies of cognitive behavioral therapy. Psychiatric Clinics, 40(4), 597-609.
  • Wölfling, K., Beutel, M. E., Bengesser, I., & Müller, K. W. (2022). Computerspiel-und Internetsucht: ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual. Kohlhammer Verlag.
  • Wölfling, Klaus, Kai W. Müller, Michael Dreier, Christian Ruckes, Oliver Deuster, Anil Batra, Karl Mann, u. a. (2019). Efficacy of Short-Term Treatment of Internet and Computer Game Addiction: A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry, 76, 10: 1018. https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2019.1676.
  • Wölfling, K., Jo, C., Bengesser, I., Beutel, M. E., & Müller, K. W. (2013). Computerspiel- und Internetsucht: Ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual. Stuttgart: Kohlhammer.